Auf meiner ersten Solo-Reise per Fahrrad pedalte ich während 6 Wochen über 1.500 km von der Schweiz nach Palermo. Gleich vorweg: diese Reise war so wundervoll, dass ich ein paar Jahre später das Fahrrad-Reisen in Italien zu meinem Beruf machte. So schön es war, die Reise hat mich zünftig herausgefordert. Ich habe eine Reihe von Anfängerfehlern begangen, die du dir sparen kannst. Oder müssen wir vielleicht alle unsere eigenen Fehler machen?
Vorbereitung für die erste Radreise
Planen war nie so mein Ding. Auf dieser ersten Solo-Reise per Fahrrad wusste ich gerade mal, auf welchem Weg ich nach Verona gelangen würde. Von da schnellstmöglich ans Ligurische Meer. Einmal am Meer angekommen, war die Sache ja einfach: wenn das Meer zu meiner Rechten liegt, bin ich richtig.
Tatsächlich habe ich diese Art des Nicht-Planens bis heute weitestgehend beibehalten. Weil sich unterwegs sowieso so viel ändert:
- Du triffst Menschen, die dir neue Routen und Orte empfehlen.
- Dein Fahrrad hat ein technisches Problem, das du nur in einer größeren Stadt beheben kannst, die nicht an deiner geplanten Route liegt.
- Das Wetter spielt verrückt – also nimmst du den Zug und fährst dort weiter.
Ziel erreichen, Sightseeing oder sportliche Tour?
Ich plante keine Sehenswürdigkeiten ein, keine Städte, die ich sehen wollte, ich fuhr einfach los. Ich hatte weder sportliche Ambitionen, noch wollte ich Sightseeing machen. Ich wollte einfach mit dem Fahrrad von der Schweiz nach Palermo fahren. Das war ja schon Herausforderung genug.
Leider flitzte ich dadurch an Orten vorbei, die mich eigentlich interessiert hätten. Zum Beispiel Neapel oder der Passo della Cisa zwischen Parma und La Spezia. Das ist nicht weiter schlimm, aber schade.
Frage dich vor der Reise, was du willst:
- Ein bestimmtes Ziel erreichen, bzw. eine ausgewählte Route fahren
- Sportliche Leistung erbringen
- Die Gegend per Fahrrad erkunden, also auch Sightseeing
Fixiere ein paar Sehenswürdigkeiten und Städte auf der Route, die du sehen möchtest, und dann stell‘ dir eine Route zusammen, die zu deiner Absicht passt. Und bleib‘ locker und flexibel, weil es vermutlich ohnehin anders kommt.
Ausrüstung & Gepäck für die Tour
Auf meiner ersten Solo-Reise per Fahrrad habe ich den Klassiker-Fehler begangen: zu viel Gepäck. Zum Glück hatte ich zuvor schon einmal eine Fahrradtour mit meinem Ex-Freund gemacht, und belud mein Rad nicht mehr gar so grob – zu schwer war die Fuhre aber auch dieses Mal:
Ein zu großes Zelt, zu viele Kleider, einen Stapel Papierkarten, einen fetten Reiseführer, zu schwere Ersatzschuhe. Die Sache mit den Büchern und Karten hat sich zum Glück mit der Digitalisierung ganz wundervoll entspannt. Smartphone und Tablet erfüllen heute alle Wünsche.
Sie bringen dafür neue Probleme mit sich: wo lade ich die lieben Geräte auf? Ich hatte auch noch einen Fotoapparat und einen Laptop mit Strom zu füttern. In der Not ließ ich die Guten oftmals in den Sanitäranlagen vor sich hin laden. Mir ist zum Glück nie etwas abhanden gekommen.
Mein Tipp: Lass dich von Packlisten anderer Radreisender inspirieren. Am Ende kannst aber nur du wissen, was du wirklich brauchst unterwegs – und das braucht schlicht Erfahrung. Also, nimm möglichst wenig mit, packe möglichst leicht, verzichte aber nicht auf den warmen Schlafsack und bequeme Kleidung für den Abend. Es soll ja auch noch Spaß machen, oder?
Technik
Die Technik ist und bleibt meine Achillesferse. Sie interessiert mich so überhaupt nicht, dass ich mich nicht mal für einen Grundkurs in Fahrradtechnik überwinden kann. Ich vertraue darauf, dass zur richtigen Zeit die richtigen Menschen zur Stelle sind, die mir helfen können.
Auf meiner ersten Solo-Reise per Fahrrad hatte ich zum Glück nur einen Platten – und tatsächlich erschien da irgendwann ein Pizza-Lieferant, der mich in seinem Kastenwagen zum nächsten Ort mitnahm, wo “zufällig” in dem Moment ein holländischer Radfahrer und Plattenspezialist vorbeifuhr. Das Fahrrad war innert 10 Minuten wieder fahrtüchtig.
Es wäre natürlich klüger, hätte ich mehr Ahnung. Könnte ich zum Beispiel die Bremsbeläge meines Rads selber austauschen, hätte ich mir schon diverse Odysseen auf der Suche zu einem fähigen Mechaniker sparen können.
Andererseits hat diese Technik-Verweigerung auch seine Sonnenseiten:
- Dank Technik-Nöten habe ich so einiges Unvergessliches erlebt.
- Ich kann mir das Gewicht von viel Werkzeug sparen – ich könnte es ja ohnehin nicht benutzen.
Mein Tipp: Ich tu’s nicht – tu’s doch, du: mach‘ einen Kurs im Reparieren deines Fahrrads. Solche Kurse gibts in jeder größeren Stadt. Wenn du nichts dergleichen in deiner Nähe findest: frag deinen Mechaniker oder im Laden, wo du dein Fahrrad gekauft hast. Oft sind die Händler sehr großzügig im Weitergeben von Wissen.
Navigation & Routenplanung
Also eben, auf dieser ersten Radreise hatte ich Papierkarten dabei. Das war erstens ebenso schwer wie voluminös und vor allem pedalte ich hunderte von Kilometern auf fetten Straßen zwischen Lastwagen und anderem Bedrohlichem, weil ich nichts Radfreundlicheres fand. Das war zuweilen gefährlich – und hat den Spaß gut abgekühlt.
Und bis du auf der Papierkarte deinen Standort findest, ist es schon fast Abend… Seit ich mit einer Handy-App navigiere, ist das Radreisen viel entspannter und ich fahre selbst in großen Städten ruhige Schleichwege.
Mein Tipp: Freunde dich gleich mit der digitalen Navigation an. Sie erleichtert dich nicht nur gewichtsmäßig, sondern führt dich auf sicherere und hübschere Routen. Ich kann dir die App von Naviki empfehlen, höre aber auch viel Gutes von Komoot.
Ein Nachteil davon ist, dass du auch unterwegs Strom für dein Handy brauchst. Ich habe mir eine Powerbank zugelegt, damit mein Smartphone unterwegs stets geladen ist. Das Gute daran ist, dass ich jetzt die Powerbank in den Camping-Sanitäranlagen zum Laden liegen lassen kann – und nicht mehr die Geräte selber.
Körper & Fitness
Ich war schon immer mit einer relativ guten Kondition gesegnet und bin ein Bewegungs-Junkie, so dass ich halbwegs fit war, als ich nach Palermo aufbrach. Ich machte täglich ungefähr 80 km, immer dem nächsten Campingplatz nach. Nach 2 Wochen war ich plötzlich gereizt, schlecht gelaunt und fand meine Tour doof. Es dauerte eine Weile, bis ich merkte, dass ich ganz einfach müde war. So legte ich einen Ruhetag ein, während dem ich praktisch nur im Zelt lag, las, schlief und aß. Danach gings mir wieder blendend.
Immer wieder einmal fuhr ich anfangs in eine Unterzuckerung. In meiner ganzen Begeisterung fürs Radfahren, vergass ich schlicht, Kalorien nachzuschieben. Einmal in der Unterzuckerung drin, dauerte es nahezu eine Stunde, bis ich weiterfahren konnte.
Auf dieser Tour lernte ich die Signale richtig zu deuten, die mir mein Körper sandte, wenn die Energie langsam erschöpft war. Und ich lernte, dass ich mit einem herzhaften Frühstück wesentlich weiter komme als mit Süßem gleich zum Tagesstart. Eine Unterzuckerung hatte ich seither nicht mehr.
Anfangs schleppte ich noch kiloweise Essen mit mir rum. Die Erfahrung hat gezeigt: nur Notfall-Kalorien mittragen – und unterwegs einkaufen, kurz bevor Essenszeit ist. Meine Notfall-Kalorien sind: Salzstangen, Cashewnüsse, gesalzene Kürbiskerne, Kekse.
Meine Tipps:
- Beobachte deinen Körper gut, wenn du noch nicht so erfahren bist im Langstreckensport. Die Zeichen, dass Energie-Nachschub gefragt ist, sind subtil. Bei mir ist ein Zeichen dafür, wenn meine Stimmung grundlos absackt, wenn mich andere Verkehrsteilnehmer übermäßig nerven oder ich die gesamte Reise infrage stelle. Essen – und zurück ist die Freude!
- Fahr‘ dich langsam ein. Verfolgst du gleich zu Beginn des Tages eine Gruppe gut trainierter Rennradfahrer, hängst du nach spätestens einer Stunde in den Felgen. Es sei denn, du gehörst zu den gut trainierten Rennradfahrerinnen.
- Gönn‘ dir einen Ruhetag, wenn du merkst, dass sich die Freude verabschiedet. Es ist anstrengend, jeden Tag Sack und Pack zu satteln und deine Kilometer zu fahren. Bleib doch einfach eine zweite Nacht am Ort, wo es dir gefällt.
So fühlst du dich sicher
Mit Menschen hatte ich nur ganz wenige schräge Situationen, die sich im Nachhinein allesamt als harmlos herausstellten. Der gefährlichste Teil einer Solo-Reise per Fahrrad ist der Verkehr. Deswegen finde ich die Navigation per App so wichtig. Sie führt dich auf verkehrsruhigere Straßen oder Radwege.
Meine Tipps:
- Nutze die Navigation per App oder ein Navi, um möglichst radfreundliche Strecken zu finden.
- Die beste Prävention gegen Ärger ist das Vertrauen in deinen Instinkt. Achte auf dein Gefühl. Auch wenn’s dir manchmal übertrieben erscheint: wechsle den Platz, wenn dir irgendwo unbehaglich ist. Oder halte dich zumindest startklar.
- Suche du aus, mit wem du redest. Sobald du ausgesucht wirst – also wenn dich jemand anspricht, sei freundlich, aber wachsam. Es kommt immer wieder einmal vor, dass mich ein Kerl anspricht, dessen Absichten nebulös sind. Wenn sich die Sache nicht innerhalb kurzer Zeit klärt, dampfe ich ab und finde nettere Gesellschaft.
- Bei aller Wachsamkeit – sei nicht ängstlich. Halunken, die Böses wollen, sind äußerst selten. Trittst du sicher und bestimmt auf, passiert dir nichts. Ängstliche Häschen hingegen ziehen den Ärger geradezu an.
Übernachtung
Ich habe auf der ganzen Reise im Zelt auf Campingplätzen übernachtet. Wild campieren ginge durchaus auch, liegt mir aber nicht so. Ich liebe die warme Dusche am Abend, fließendes Wasser zum Wäschewaschen und Strom zum Laden meines Geräteparks.
Aber ganz besonders mag ich die Gesellschaft von anderen Campern. Tatsächlich habe ich auf Campingplätzen schon ganz wundervolle Menschen kennengelernt und mich zweimal bodenlos verliebt. Einer davon ist heute mein Lebenspartner!
Die Frage, wo ich an diesem Abend übernachten würde, war oft ein Grund für eine leichte Unruhe gegen Abend. Selbst wenn ich einen Campingplatz als Etappenziel anpeilte, war ich nie ganz sicher, ob ich da tatsächlich übernachten könnte. Im September sind manche Campingplätze in Italien bereits geschlossen – oder es gibt sie einfach nicht mehr.
Einer meiner größten Fehler auf dieser Radtour nach Palermo war, dass ich derart auf Campingplätze fixiert und wenig offen für andere Übernachtungsmöglichkeiten war. Einerseits, weil ich ein begrenztes Budget hatte, andererseits war mir die Zimmersuche zu mühsam. Dadurch streifte ich diverse Orte nur, die mir gefallen hätten.
Heute ist die Zimmersuche per App zum Glück hoch komfortabel, so dass selbst ich ab und zu in Jugendherbergen, B&Bs oder Pensionen übernachte.
Meine Tipps:
- Musst du erst noch entscheiden, ob du auf Campingplätzen oder in anderen Unterkünften übernachten willst, bedenke, dass Zelt, Schlafsack und Matte selbst dann noch ein relativ großes Gewicht und Packvolumen bedeuten, wenn du zu Ultralight-Material greifst. Dafür ist Zelten kostengünstiger als andere Übernachtungsformen, am naturnahesten und eine gute Möglichkeit, in Kontakt mit anderen Reisenden zu kommen.
- Benutzt du eine App zum Navigieren, findest du darauf auch Campingplätze in der Nähe. Checke am Vorabend auf der Webseite, ob der Platz offen ist oder noch existiert, und in der Hochsaison rufst du am besten an und reservierst dir einen Platz. Das entspannt den Reisetag sehr.
- Wenn du Geld sparen musst oder willst, bietet sich Couchsurfing an. Oder du nutzt Warmshowers, das Couchsurfing für Radfahrer.
- Die Apps von Booking.com oder Airbnb ermöglichen dir eine komfortable Suche nach einem Zimmer in der Nähe.
- Reist du in Italien, ist die nächste Bar die bessere Auskunftsstelle für die Zimmersuche als die Touristeninformation. Hier kennt immer jemand jemanden, der jemanden kennt, der ein Zimmer vermietet.
Essen & Verpflegung
Zelt, Schlafsack und Matte hatte ich dabei – den Kocher leider nicht, weil er mir zu schwer war und zu viel Platz brauchte. Der Kocher selber ginge ja noch, aber da sind noch Töpfe, Teller, Becher, Salz, Kaffee, Nahrungsmittel etc.
Den Kocher habe ich aber fast täglich vermisst. Weil ich schon tagsüber vorwiegend Brot, Käse und Früchte aß, wollte ich abends etwas „Richtiges“, etwas Warmes. Bestenfalls fand ich einen Laden, wo ich etwas bereits fertig Zubereitetes kaufen konnte (Pasta, Reissalat oder ähnlich).
Oder ich ging eben ins Restaurant. Das fand ich aber so sterbenstrostlos, dass ich es kaum je genießen konnte. Ich habe sonst keine Mühe, alleine zu essen, aber Abendessen alleine in einem italienischen Restaurant – das ist traurig. Ich hab’s überlebt, aber es wäre lustiger gewesen, auf dem Campingplatz zu kochen.
Meine Tipps:
- Wenn du zeltest und Mühe hast, alleine im Restaurant zu essen, nimm‘ einen Kocher mit.
- Ist der Kocher aus Platzgründen keine Option, schau dich jeweils im Ort nach einem Geschäft um, das warme Pasta oder Dergleiches zum Mitnehmen verkauft. Manchmal kriegst du sowas auch im Supermarkt.
Jetzt du!
Fahr‘ einfach los. Bereite dich vor, ja, aber überlege nicht zu viel. Du wirst deine Erfahrungen machen, lernen und wachsen. Darum geht’s ja schließlich beim Reisen, oder?
Solo-Fahrrad-Reisen in Italien mache ich seit 2013. Mein gesammeltes Wissen darüber findest du auf meinem Blog www.missmove.ch. Ich lebe als Freelance Texterin mit Spezialisierung auf nachhaltigen Tourismus in Mailand.
2 Kommentare
Oh, ich bekomme alleine schon beim Lesen totale Lust aufs Rad zu steigen und loszuradeln 🙂
Leider macht mein Hund da nicht mit und so sind meine Radurlaube in den letzten Jahren auf ein Minimum geschrumpft…
Als ich im vorletzten Jahr aber endlich mal wieder ein paar Tage am Stück mit dem Rad unterwegs war, ui, das war ein herrliches Gefühl!
Im Anschluss daran habe ich einmal einige Tipps aufgeschrieben, die vor meiner ersten Radreise vor zig Jahren gerne gewusst hätte. Wenn du magst, schau mal vorbei:
https://fraeuleinswunderbarewelt.de/2018/06/26/fahrradurlaube-tipps-teil-1/
Insgesamt gibts drei Teile 😉
Liebe Grüße, Frauke
Liebe Frauke,
superklasse – Danke für den Link und deinen Kommentar 🙂
Viele Grüße und weiterhin viel Freude mit Vierbeiner und manchmal Zweirad!
Ute