Alleinreisen bei Krankheit - Reiseblog Bravegirls

Krank sein – ein Mutmachertext für Alleinreisende

Mein ganzes Leben reise ich. Mein halbes Leben reise ich als Backpackerin. Und ein Drittel meines Lebens reise ich auch allein. Ich bin neugierig, ich probiere etwas aus, ich suche Herausforderungen. Mit einem Paraglider von der Klippe springen – juhu! Downhill-Biken durch unbeleuchtete Tunnel in den Anden – mit Schwung! Nachts allein in einer unbekannten Stadt ein Hostal suchen – los geht’s. Am Stier vorbeischleichen, der den Wanderweg blockiert – lustig. Flößt mir gar nichts Furcht ein? Doch. Etwas ganz Einfaches. Wenn ich in einem Abenteuer stecke, vertraue ich auf meine Sinne und die Kraft meines Körpers. Er ist stark, er schafft das schon.

Aber was ist, wenn mein Körper krank wird?

Schon immer war mein Darm meine Archillesferse. Kopfschmerzen, Blasenentzündung und Erkältung mögen andere häufig haben – ich habe Verdauungsprobleme. Magenschmerzen, Blähbauch, Durchfall – irgendwas ist immer. Und ich habe das Talent, als einzige von etwas krank zu werden, das alle gegessen haben: Salmonellen vom Herbergsessen auf Klassenfahrt, Shigellenruhrinfektion in einem Restaurant, Lebensmittelvergiftung auf einer Gruppensafari.

Seit vielen Jahren vertrage ich absolut keine Laktose, Paprika verursacht Magenschmerzen, Knoblauch verstopft und Rote Beete macht sofort Durchfall. Zuhause koche ich meist selbst, das hält den Schaden gering. Aber auf Reisen wird Essen zur Herausforderung. Meine Couchsurfing-Gastgeberin übersetzt mir die wichigsten Vokabeln: Hallo, Tschüss, Danke, Entschuldigung und Ich habe eine Milchallergie. Leitungswasser filtere ich, wasche peinlich meine Hände und sortiere rohe Zwiebeln und Tomatenschale aus jedem Restaurantessen.

Und dann passiert es doch: Morgens um sieben grummelt verdächtig der Bauch, erst hocke ich rückwärts, dann vorwärts, dann mit Eimer auf dem Schoß über der Kloschüssel. Abends waren wir zu fünft essen, jeder hat von jedem probiert. Den anderen geht es gut, ich dagegen entleere mich in den nächsten vier Stunden vollständig. Schreckliche Erinnerungen kommen hoch: Dirilierend nachts im überfüllten nicaraguanischen Bus stehen, zwei Tage in Guatemala im Bett verharren ohne Essen und Medikamente, bei sengender Hitze im venezolanischen Outback dämmern. In Lissabon führte der Weg zur Hostaltoilette durch zwei Chipkarten-Türen und einen ewig langen Flur. In diesen Momenten habe ich Draufgängerin unendliches Heimweh, wünsche mich in mein eigenes Bett und an meine Bettkante einen vertrauten Menschen, der mich pflegt. Wäre ich bloß nicht losgefahren! Ich hadere.

Alleinreisen bei Krankheit - Reiseblog BravegirlsDiesmal in Georgien erwischt es mich glücklicherweise in einem sauberen Zimmer mit eigenem Bad. Meine Reiseabschnittsgefährtin und ich sind am Vortag von einer mehrtägigen Kaukasuswanderung zurückgekehrt. Sie holt mir einen Eimer, kocht Tee, bringt Zwieback und Bananen aus dem Supermarkt. Zwar ist von meinem mehrmonatigen Trip noch nicht einmal eine Woche um, bis ich das erste Mal krank werde, doch es könnte sehr viel schlimmer sein. 

Als die Planung meiner Weltreise immer konkreter wurde, schreckten mich die Gedanken nicht ab, an der Visumstelle in Teheran abgewiesen zu werden oder mich im Chaos Indiens nicht zurecht zu finden oder irgendwo bestohlen zu werden. Aber meine Erinnerungen an vergangene Magen-Darm-Ausfälle ließen mich an meinen Plänen zweifeln. Allerdings habe ich in der Vergangenheit kleine entscheidende Fehler gemacht, aus denen ich als Alleinreisende lernen musste, damit die nächste Krankheit sich nicht wieder wie ein Katastrophe anfühlt. In Nicaragua habe ich meine Reise stur fortgesetzt und meinen Körper weiter strapaziert, weil ich unbedingt zu Silvester auf der Karibikinsel Corn Island sein wollte. In Guatemala dauerte es lange, bis die Angestellten bemerken, dass es mir nicht gut ging und mir etwas zu Essen aufs Zimmer brachten. In Venezuela hatte ich aufgrund des begrenzten Gepäcks dummerweise meine Reiseapotheke zurückgelassen. 

Bei diesem Mal mache ich es besser: Als erstes habe ich akzeptiert, dass die Tour an dieser Stelle pausieren muss, bis ich wieder reisefähig bin. Das hat eine Änderung der Pläne zur Folge und einen Programmpunkt muss ich nun leider streichen. Ich versuche, das als natürlichen Teil der Reise zu sehen. Und dann habe ich nicht auf den vielgelesenen Tipp diverser Reiseforen gehört, man solle seine Reiseapotheke gering halten, denn die nächste Apotheke wäre auch im Ausland nie weit.

Wenn man alleine ist und nicht aus dem Bett aufstehen kann, wenn es mitten in der Nacht oder das nächste Dorf zu viele Kilometer entfernt ist, dann sind Medikamente in der Tat unerreichbar. Für diese Situationen hat man ja die Reiseapotheke und sie sollte das enthalten, was man im akuten Fall schnell braucht – das kann bei jedem individuell anders sein. Ich werde niemals so starke Kopfschmerzen haben, dass ich es ohne Tablette nicht aushalte, dafür brauche ich aber ein starkes Durchfallmedikament und einen kleinen Vorrat an Tee und magenfreundlichen Lebensmitteln. Jemand mit Migräneanfällen oder Asthma wird seine Notfallapotheke wiederum anders packen. 

Doch der entscheidendste Fehler war auch der simpelste. Es war für meine Zimmergenossin kein Umstand, ein wenig Wasser zu kochen und zum Laden an der Ecke zu gehen. Für mich war es das Größte. Ich hätte in Guatemala auf mich aufmerksam machen und um Hilfe bitten sollen. Ich hätte in Lissabon an der Rezeption anrufen und ein anderes Zimmer wünschen sollen.

Wer keinen Reisepartner hat, muss eben aktiv auf andere zugehen.

Als Alleinreisende musst du nicht allein sein – nicht beim Stadterkunden, nicht beim Essengehen und auch nicht beim Kranksein.

 

 

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