Laut dröhnt die Schiffshupe und kündigt das Ablegen des Schiffs der Waxholmsbolaget an. An Deck drängen sich vor allem Touristen, die mit ihren Kameras um die besten Aufnahmen der schwedischen Hauptstadt vom Wasser aus wetteifern. Die Einheimischen sitzen drinnen, viele über ihren Laptop gebeugt oder in Gespräche vertieft.
Während die Häuserfront in der Ferne immer kleiner wird, übernehmen kleinere und größere Inseln, die Schären, das Hauptmotiv in der Szenerie. Der Schärengarten vor Stockholm (schwedisch: Skärgården) besteht aus schätzungsweise 24.000 Inseln und erstreckt sich von der Insel Väddö im Norden bis zur Insel Öja im Süden. Nur die wenigsten Inseln sind bewohnt.
Viele Stockholmer kommen lediglich im Sommer in ihre Ferienhäuschen. Im Winter ist die Inselwelt weitgehend verlassen. Mit speziellen Programmen versucht die schwedische Regierung Familien zu motivieren, ihren Lebensmittelpunkt in den Schärengarten zu verlegen und ganzjährig auf einer der idyllischen Inseln zu leben.
Dass das Leben auf einer kleinen Insel, insbesondere in den Wintermonaten, hart sein kann, daran denkt wohl niemand beim Verlassen des Schiffs auf Sandhamn bei strahlendem Sonnenschein und angenehm warmen Temperaturen. Direkt am Hafen finden die Kauflustigen mehrere kleine Läden, wo man neben allerlei Schönem auch einen wärmenden Pullover oder eine neue Jacke erwerben kann.
Abgerundet wird das touristische Angebot von Cafés und Restaurants. Diese bieten alle erdenklichen Leckereien, die die schwedische Küche zu bieten hat. Da mir als Tagestourist jedoch nur drei Stunden bis zum Ablegen der Fähre zurück nach Stockholm auf diesem wundervollen Eiland vergönnt sind, lasse ich alle Verlockungen zunächst rechts liegen.
Denn Fans von Viveca Sten und ihrer Krimireihe (zu denen ich mich zähle), die auf Sandhamn und den umgebenden Schären spielt, erkennen, wenn sie sich nach dem Verlassen des Schiffs nach links wenden, das Seglarhotellet. In der Krimireihe werden hier rauschende Feste in unendlichen Nächten gefeiert, in denen die Sonne nie untergeht.
Bei meinem Besuch scheint es zumindest von außen betrachtet eher ruhig zuzugehen. Beim Schlendern über den knarrenden Holzsteg bewundere ich die zahlreichen Boote, die hier vor Anker liegen.
Um möglichst viel von der Insel zu sehen, mache ich mich auf der einzigen Straße auf den Weg in den Süden der Insel. Die Schäre heißt eigentlich Sandön (deutsch: Sandinsel), wird aber in der Regel nach ihrem Hauptort Sandhamn benannt. Ihrem Namen macht die Insel bei meinem Spaziergang auch alle Ehre. Die Straße stellt sich als unbefestigter Weg heraus, die auf sandigem Untergrund durch einen Kiefernwald führt.
Zwischendurch zweigen immer wieder kleine Wege ab, die sich durch Blaubeerfelder schlängeln. Auf gut Glück folge ich einem dieser Pfade und komme am nordöstlichen Rand von Trouville heraus. Hier, direkt am Meer, habe ich Sandhamn ganz für mich alleine und fühle mich wie im Paradies. Ein kleiner Felsen lädt mich ein, auf ihm meine Mittagspause zu verbringen.
Das tiefblaue Meer direkt zu meinen Füßen und der hellblaue Himmel über mir, da kann ich nicht widerstehen. Ich kann mich gar nicht sattsehen an dem Leuchtturm auf der gegenüberliegenden Schäre Korsö, den weißen Segelbooten, die durch das Wasser gleiten und könnte dem Plätschern der Wellen ewig zuhören.
Doch die Zeit läuft und so mache ich mich am Meer entlang das Dorf zu umrunden. Eigentlich ist es nur eine Ansammlung von Holzhäuschen, die wohl nur im Sommer bewohnt werden. Lebenszeichen vermisse ich fast gänzlich. Etwas mehr los ist dafür an den beiden nahegelegenen Stränden. Der Sand ist beinahe so weich und weiß wie in der Karibik.
Ein paar kühne Badenixen und Wassermänner tauchen in die sicherlich kalten Fluten ein. Mich kribbelt es auch. Doch ich belasse es bei einem sehnsuchtsvollen Blick auf die sanft wogenden Wellen, denn wieder treibt mich das unaufhaltsame Vorrücken des Uhrzeigers an. Zügigen Schrittes stiefele ich durch den Wald zurück nach Sandhamn.
Der alte Ortskern ist wie gemalt. Rote und gelbe Holzhäuschen schmiegen sich an steil aufragende, glatte Felsen. Die Schären sind ein Relikt der letzten Eiszeit. Die von Norden kommenden Gletscher haben die darunter liegenden Gesteinsmassen überströmt und glatt geschliffen. Das Resultat sind unzählige kleinere und größere flach abgerundete Inseln, die von wenigen Quadratmetern bis mehrere Quadratkilometer groß sein können.
In den weißen Sprossenfenstern der Häuser stehen Blumen und Kerzenständer. Nicht selten weht in den Gärten eine blau-gelbe Fahne. Und hier ist auch wieder mehr Leben. Die meisten Tagesausflügler scheinen die Zeit zwischen den bunten Häusern und den kulinarischen Höhepunkten der Insel verbracht zu haben.
So können es viele wohl auch kaum erwarten, wieder die Fähre zurück in die Hauptstadt zu besteigen, wo die Uhren noch ein bisschen schneller gehen, und stehen schon eine halbe Stunde vor Abfahrt in der Schlange.
Auf der Rückfahrt scheinen die meisten genug von Wind und Wasser zu haben. Ich genieße es, wie mir der Wind um die Nase weht und die Gischt in feinen Schauern gelegentlich auf mich regnet. Weitere schöne Ausflüge bieten sich auch auf die Schäre Grinda an.
Heute fährt das Boot aber am Anlegesteg vorbei, da wir schon voll besetzt sind. Die Wartenden müssen auf das nächste warten, wie mir die freundliche Fahrkartenverkäuferin erklärt. Das komme aber gleich, versichert sie mir.
Ein weiterer Zwischenstopp bietet sich in Vaxholm an. Wer nur wenig Zeit oder noch Lust hat, kann wie ich hier von Bord gehen und durch die Straßen streifen. Die Schiffsverbindung nach Stockholm ist von hier aus wesentlich regelmäßiger; alternativ kann man auch den Bus nehmen.
Wer länger in Stockholm oder der Umgebung ist, dem möchte ich gerne empfehlen mehr Zeit für Vaxholm einzuplanen oder die Besichtigung mit einem Ausflug nach Grinda zu verbinden.
Ich beende meinen Ausflug in den Schärengarten bei einer Tasse Kaffee und einem Chokladboll im Café Boulangerie direkt am Hafen. Während mir das süße Gebäck auf der Zunge zergeht, wechseln sich vor meinem inneren Auge immer noch große und kleine, bewaldete und kahle Schären mit und ohne rote Holzhäuschen und vereinzelten weißen Segelbooten auf dem dunkelblauen Meer dazwischen ab.
Reisetipps für die Reise nach Sandhamn
Anreise: Sandhamn befindet sich im östlichen Teil des Stockholmer Schärengartens. Ab Stockholm kann man von der Stadtion „Strandvägen“ z. B. mit der regulären Fähre Waxholmbolaget in ca. 2 Stunden nach Sandhamn (165 SEK für die einfache Fahrt) fahren; Fahrkarten kauft man an Bord. Alternative Fähren sind Strommakanalbolaget oder Cinderella.
Ausrüstung: Bequeme Laufschuhe, ggf. wetterfeste Kleidung oder zum Baden Bikini und Handtuch und natürlich Proviant, wenn man seine Zeit nicht nur in Cafés verbringen möchte. Reiseführer: Reiseführer Stockholm MM-City vom Michael Müller Verlag oder Reise Know-How CityTrip Stockholm
Weiteres: Zur Einstimmung oder um in Erinnerungen zu schwelgen: Viveca Stens Krimireihe
Hey, ich bin Christine und entdecke gerne nahe wie ferne Reiseziele. Ich stamme aus der Pfalz - das ist auch mein erster Reisetipp 😉 - und bin große Schwedenliebhaberin. Wenn ich nicht unterwegs bin, entspanne ich gerne bei einem guten Buch.