Zuhause ist Sport als Ausgleich und Freizeitbeschäftigung unentbehrlich für mich. Ohne ein Fitnessjunkie zu sein, baue ich zweimal pro Woche gerne Stress ab und tue meinem Körper etwas Gutes. Ich besuche dann die Workout- und Yogakurse meines Sportstudios oder gehe beispielsweise schwimmen. Zum Wochenende bei meinen Eltern nehme ich Laufschuhe mit und mein Freund, mit dem ich eine Fernbeziehung führe, mag Radfahren glücklicherweise genauso gern wie ich.
Wie ist es aber im Sommerurlaub oder jetzt auf meiner Weltreise? Ich erkunde fremde Städte zwar kilometerweise zu Fuß, doch das ist eine ziemlich einseitige Auslastung. Nach spätestens zwei Wochen schmerzen die Füße und richtig ausgepowert fühle ich mich trotzdem nicht. Für manche mag sich Urlaub und körperliche Betätigung ausschließen – mir macht es Spaß und ich habe großen Bewegungsdrang. Und da ich einen Backpack trage, ist ein wenig Rückentraining nicht verkehrt.
In Honduras habe ich das Joggen ganz schnell wieder aufgegeben, weil das Gejohle der Männer es unerträglich machen. Im Iran gilt sogar gewöhnliches Radfahren als zu sexy. Und da ich mit geringem Budget reise, haben meine Unterkünfte nie einen Pool oder Kraftraum. Gleichzeitig futtere ich mich mit Leidenschaft durch jede Landesküche und verbringe manchmal ganze Tage unbewegt in Überlandbussen. Wie geht also Sport auf Reisen?
Was muss mit?
Die ersten Gedanken machte ich mir über meine Ausstattung. Als Backpackerin achte ich auf geringes Gepäck – alles was ich mitnehme, sollte möglichst mehrere Zwecke erfüllen. Handtuch und Wasserflasche habe ich eh dabei. Shorts, Shirt, Sport-BH und Turnschuhe sollten auch alltagstauglich sein. Statt der Lieblings-Neon-Yogapants kommt eine schlichte schwarze Leggings in die Tasche. Auch achte ich darauf, dass meine Kleidung so lange wie möglich sauber bleibt und ich sie deshalb möglichst gar nicht erst vollschwitze.
Im eigenen Zimmer oder Frauen-Schlafsaal kann ich (wenn die Bettnachbarin grad einkaufen ist) in Unterwäsche Sport machen. Ich gehe danach duschen, der Sport-BH trocknet wie jede Sportkleidung schnell. Wer eine eigene Yogamatte nicht missen möchte, ihre Sperrigkeit aber schon, der könnte sich eine Yogamatten-Auflage zulegen, die man auf jedem geeigneten Untergrund ausrollen kann.
Welche Möglichkeiten gibt es?
Als schwierigste Frage beschäftigte mich, wann und wo ich Sport treiben könnte. Draußen geht es an den meisten Orten, aber es gibt – mal ungeachtet des Klimas – genug Umgebungen, in denen es beispielsweise zu gefährlich ist (indische Städte) oder ich Zuschauer vermeiden will (Lateinamerika) beziehungsweise muss (Iran). Das eigene Zimmer ist dann die beste, wenn nicht einzige Wahl. Vielleicht hat die Unterkunft einen Innenhof, ein wenig frequentiertes Obergeschoss oder ein großes Bad – mehr Platz brauche ich für ein kleines Workout nicht.
Als Matte dienen (Hand-)Tuch oder Bett. Und insbesondere beim individuellen Reisen weiß ich morgens häufig nicht, wie und an welchem Ort der Tag endet. Deshalb ist zwischen Aufwachen und Frühstück oft die beste Zeit für Sport. Es ist ein planbares Zeitfenster und ich profitiere den Rest des Tages von dem Energiegefühl. Abends lege ich schon bereit, was ich benötige, das spart Zeit und motiviert.
Kreativ sein
Meine Übungen brauchen nicht viel Platz: Ich mache Sit-ups, Liegestützen und Kniebeugen, ich jogge auf der Stelle, dehne meinen Rücken. Meist nutze ich eine App, die Training mit dem eigenen Körpergewicht anleitet. Als Hantel dient meine Wasserflasche und ich habe ein Thera-Band dabei – das wiegt nichts und kann auch zum Gepäckverschnüren genutzt werden. Die Umgebung und Alltagsgegenstände werden also meine Trainingsgeräte. Wenn etwas mehr Platz da ist, auf einer Dachterrasse oder am Strand, dann mache ich auch mal Yoga – ein Video ersetzt mir den Lehrer.
Am Strand ist eh viel Platz für Sport, bei Sonnenaufgang hat man auch noch seine Ruhe. Neben den kleinen Workouts ergreife ich im Reisealltag jede Trainingsgelegenheit: Ich nehme (auch mit Gepäck) die Treppe, miete ein Fahrrad statt Motorroller, lasse mich zu einer Runde Fußball überreden, unternehme anspruchsvolle Wanderungen und probiere örtliche Sportangebote aus, z.B. Tanzkurse. Wer will, findet immer einen Ast, an dem man Klimmzüge machen, eine Treppe, die man dreimal hinaufsteigen oder eine Wartezeit, die man mit Sit-ups überbrücken kann. Schwimmen statt baden, zu Fuß statt Taxi – es ist ein Frage des Wollens. Übrigens ist es oft ziemlich leicht, andere vom Mitmachen zu begeistern.
Sport auf Reisen ist möglich. Die fremde Umgebung mag einige Widrigkeiten bergen und durch unregelmäßige, unvorhersehbare Tagesabläufe sind Sporteinheiten kaum planbar. Man darf nicht den Anspruch haben, so umfangreich und professionell wie zuhause trainieren zu können. Doch mit etwas Flexibilität kann man Gelegenheiten ergreifen und den Sport den Umständen anpassen. Eine sportive Grundhaltung und ein wenig Kreativität öffnen die Augen für viele Möglichkeiten, beim Reisen abwechslungsreich Fitness zu betreiben. Und wahrscheinlich macht es sogar mehr Spaß als zuhause.
Diese Übungen gehen überall
Im Folgen stelle ich meine Top-Übungen für die Schlafkoje und das Gemeinschaftsbad vor sowie digitale Anleiter, die ohne aktive Internetverbindung funktionieren.
Aufwach-Training im Schlafsaal-Bett: geräuschlos und wackelfrei
- Pobrücke: Rückenlage, Beine aufstellen, Hüfte langsam auf und ab bewegen; Steigerung: abwechselnd ein Bein dabei langstrecken
- Planke: in Bauchlage auf die Ellenbogen stützen, ganzen Körper wie ein Brett anspannen, so lange wie möglich halten; Variante: langsame Liegestütze, ggf. auf den Knien
- Eseltritte: auf allen Vieren, ein angewinkeltes Bein mehrfach Richtung Zimmerdecke schieben, dann Bein wechseln; Steigerung: Thera-Band nutzen
- Beine heben: in Rückenlage mit Armen neben dem Körper die Beine wenige Zentimeter über der Unterlage halten, Beine abwechselnd anheben; Steigerung: beide Beine gleichzeitig heben und senken; weitere Steigerung: Bettdecke als Gewicht verwenden
- Rücken-Situps: in Bauchlage Fingerspitzen an die Ohren legen, Oberkörper langsam auf- und absenken; Steigerung: Wasserflasche als Gewicht im Nacken halten
- Seitliches Beinheben: in Seitenlage das untere Bein anwinkeln, das obere Bein ausgestreckt auf- und absenken, danach Seitenwechsel; Steigerung: Thera-Band oder Gewicht nutzen; Variante: das obere Bein aufstellen, das untere Bein ausgestreckt auf- und absenken
Bad-Sport: aktiv beim und nach dem Zähneputzen
- Kniebeugen: paralleler hüftbreiter Stand, langsam „Hinsetzbewegung“ und wieder aufrichten, Knie sollten hinter den Fußspitzen bleiben und nicht nach innen knicken; Variante: „Sumostand“, V-förmiger breiter Stand
- Seitliches Beinheben: eine Hand in die Hüfte stützen, das gegenüberliegende Bein ausgestreckt bis zum Maximum seitlich auf- und absenken; Herausforderung: auf Zehenspitzen stehen; Variante: Bein vor- und zurückbewegen
- Boot-Pose: auf den Klodeckel setzen, etwas zurücklehnen, Beine angewinkelt anheben, möglichst lange halten; Steigerung: Beine abwechselnd langsam ausstrecken
- Dips: auf den Klodeckel setzen, seitlich abstützen, nun den Körper vor dem Klo auf- und absenken; Variante: Stuhl oder Möbelkante nutzen…
- Erhöhter Liegestütz: vorwärts mit den Händen an die Wand lehnen, Füße einen Schritt zurücksetzen, Körper vor- und zurückstemmen; Steigerung: niedrigere Stützposition nutzen, z.B. Waschbecken oder Toilette; Variante: einarmiger Stütz
- Armpresse, z. B. unter der Dusche: Hände vor der Brust für 20 Sekunden maximal gegeneinander pressen, nach einer Pause wiederholen
Apps, die kein WiFi benötigen
- Es gibt eine ganze Reihe Workout-Apps, die nach dem Download internetunabhängig funktionieren. Meine Lieblings-App ist „Frauen Fitness“ von Leap Fitness Group (27 MB), übersichtlich und einfach zu bedienen, Übungen frei modifizierbar, kurze und abwechslungsreiche Einheiten, auch für Untrainierte geeignet; für extra Fun: „Sprache der Stimme“ einfach mal auf Französisch oder Chinesisch einstellen.
- „Juloveyoga“ und „TRUE – Yoga with Adriene“ bieten schöne Yoga-Anleitungsvideos, die du in der YouTube-App downloaden und speichern kannst, um sie später abzuspielen. (Tipp: Das funktioniert auch mit mancher Jogging-Musik.)
- Das Internet ist voll von Trainingsanleitungen, die du auf dem Smartphone speichern kannst – ob als Video oder Bild-Darstellung. Für kurze intensive Workouts suche zum Beispiel nach „HIIT“ oder „Tabata“.
Reisen ist etwas anderes als Urlaub machen – es ist eine Weltanschauung.
Seit meinem ersten Lebensjahr war ich mit meiner Familie auf Campingtouren, später wechselte ich zum Rucksack, um
herauszufinden wie die Welt woanders aussieht und funktioniert. Mein Herz habe ich schon früh an Lateinamerika verloren, aber ich tauche mit
Neugier und Freude in die Märkte, Meereswellen und Panoramen
authentischer Orte überall auf diesem schönen Planeten ein – meinen Heimathafen Hamburg dabei immer im Herzen.
Ein Kommentar
Danke für den wertvollen Beitrag! Prima Blog.